Der Carabau im Taifunland

Von Marc Obrowski

„Woodland park, hier ist RPS 1453. Da am Ende der Landebahn steht ein Carabau.“

Vielleicht wäre eine Sammlung von Funksprüchen aus exotischen Lufträumen ein guter Aufhänger für eine Kurzgeschichtenband.

„RPS 1453 hier ist Woodland Park, ich kann dich kaum verstehen, dein Motor ist zu laut“. Das liegt daran, dass der Abstand von Mikrofon zu Mund kaum größer ist, als der vom Kopf zum Propeller, denn ich fliege eine Quicksilver MXII, ein minimalistisches Flugzeug.

Ich stelle das Mikrofon ganz an meine Lippen und den Motor auf Vollgas. Dann steige ich auf 200 Meter und stellte den Motor auf Leerlauf. Bei einer Gleitzahl von fünf, einer relativen Geschwindigkeit von 60 km/h und etwas Pythagoras habe ich also 61,2 Sekunden, um meinen Funkspruch zu wiederholen, bevor der Boden da ist.

„Woodland Park, CARABAU AUF LANDEBAHN“.

„RPS 1453 wir kümmern uns darum.“

Jetzt erst einmal wieder Vollgas und Höhe gewinnen. Ich kreise um den Flugplatz und sehe mir das mal an. Man hat ja sonst nichts zu tun beim Fliegen. Eigentlich wäre Fliegen Langweilig, wenn es nicht gleichzeitig so aufregend wäre.

Ich sehe zu, wie 200 Meter unter meinen Füßen (eine Quicksilver MXII hat keine Kabine, man kann direkt nach unten sehen) ein Lastwagen sich dem Tier nähert.

So wie in Indonesien, wo er Kerbau heißt, übersetzen die Ausländer hier auch das philippinische Wort für Wasserbüffel nicht. Ich glaube, das hat etwas mit der Sympathie zu tun, die alle diesen schönen und genügsamen Tieren entgegenbringen.

Ich habe ihn erst beim Start entdeckt. Zum Glück stand er, ganz Wasserbüffel, auf dem überfluteten Teil der Startbahn, ein Teil also, den ich sowieso nicht plante, zu benutzen.

Taifun Bilis hat die Tage zuvor massenweise Wasser auf Nord- und Zentralluzon abgeladen und den Flugplatz in eine Seeenlandschaft und Wasserbüffelparadies verwandelt. Nur der mittlere Teil der Start- und Landebahn steht noch über Wasser.

Jemand holt eine Bambusstange von der Ladefläche und treibt den Carabau zurück. Ich flieg weiter in Richtung Mount Arayat.

Ich überziehe das Flugzeug, 65 Stundekilometer, 60, 50, 48 und die Strömung reist ab. Man hat ja sonst nichts zu tun da oben. Das beschert mir knapp zwei Sekunden Schwerelosigkeit, ein bisschen wie Achterbahn, aber kürzer. Und genießen kann man die Sekunden auch nicht, man ist ja damit beschäftigt, das Flugzeug wieder zum Fliegen zu bringen. Beim Strömungsabriss gibt’s keinen Pythagoras mehr.

„RPS 1453, Carabau ist entfernt.“

Ich fliege zum Fuß des Arayat, um nach Wege für die nächste Fahrradtour zu suchen. Dann zum Laharfluss, den der Ausbruch des Pinatubo geschaffen hatte. Dann fällt mir nichts mehr ein.

Ich sollte mal wieder einen Überlandflug mitmachen. So wie vor ein paar Wochen im Flugzeug meines Freundes Steve ins knapp 100 Kilometer entfernte Paniki.

Diesen treffe ich am Abend in einer Bar und der hat auch von einem denkwürdigen Funkspruch zu erzählen. Er war vor ein paar Tagen wieder nach Paniki geflogen, mit zwei weiteren Fliegern, drei Flugzeuge insgesamt. Sein Funkspruch war nicht besonders exotisch, aber aufregend. Er ging: „Mayday, mayday, one-four-eight-five I am going down.“

Er ist Amerikaner und kann “m’aidez“ nicht richtig aussprechen.

Während er so in Ruhe nach Paniki geflogen ist, riss es ihn plötzlich den Steuerknüppel aus der Hand nach vorne und seine Rans S12 ging in den Sinkflug. Er griff den Steuerknüppel und spürte zunächst keinen Widerstand beim Ziehen. Höhenruder verloren war die erste Diagnose. Ein Fall für den Fallschirm, den Steves Flugzeug nicht hat.

Der Knüppel vibrierte heftig vor und zurück aber ein bisschen Kontrolle schien Steve wieder zu haben. Er verlangsamte den Flug so weit wie möglich und die Vibration nahm etwas ab. Die beiden anderen kreisten über der Szene und konnten nur zusehen.

Steve schaffte es schließlich, auf der grauen Laharbahn der sich im Bau befindlichen Subic-Clark-Tarlac Autobahn zu landen.

Er fand was er schon vermutet hatte. Der Bowdenzug zum Trimmruder war abgerissen. Diese flatterte darauf wild im Wind und da sie am hinteren Ende des Höhenruders angebracht ist, geriet das ganze Flugzeug fast außer Kontrolle.

Er schraubte das Trimmruder ganz ab und es gelang ihm, auf der Laharbahn wieder abzuheben und zurück nach Woodland Park zu fliegen.

„Was trinkst du da?“ fragt er.

„Mangosaft mit Rum“

Zur Kellnerin: „Das gleiche wie er hat“

„Ich bezahle“

„Zum Wohl“

„Auf gutes Wetter“